#neuHier - und wie interagiere ich?

Ja, mein Account existiert seit 5 Jahren, aber in Wirklichkeit bin ich Neu hier und war zuvor lange auf Twitter. Meine Erfahrungen mit Interaktionen und was anders ist in meinem Blog

Es gibt viel Diskussion darum, ob man allen Neu-Ankömmlingen erzählen soll, wie sie sich auf Mastodon zu verhalten haben oder auch nicht. Ich habe das immer als positive Anregung und nicht wirklich als Bevormundung verstanden. Die folgenden Beobachtungen und Gedanken um die Unterschiede sind sicher sehr subjektiv. ich freue mich sehr über Feedback.

Nun bin ich wieder eine Weile aktiv im Fediverse (ich werde Twitter vollständig den Rücken kehren) und habe einiges über die kleinen Unterschiede gelernt. Meine Beobachtungen und Erfahrungen zu den Interaktionen auf Mastodon sind grundweg positiv. Die etwas andere Art und Weise, wie Mastodon einige Kommunikationsarten technisch löst, scheinen sich auch positiv auf den konstruktiven Austausch auszuwirken.

Dieser Artikel ist ein (zugegebenermaßen langatmiger) Artikel für den Einstand in das Fediverse, aber hoffentlich trotzdem zugänglich. Alles ist aber im Detail noch komplexer. Deswegen gibt inzwischen einen weiteren ausführlichen Artikel: Mythen über Timelines, Threads und die Sichtbarkeit von Toots, der noch einmal sehr in die Tiefe geht. Das tut ihr euch aber erst nach diesem Artikel an… ;-)

Mastodon ist nicht Einer, wir sind Viele

Timelines - es gibt nicht nur die eine

Twitter kennt keine Unterscheidung nach Instanzen. Sicherlich wird Twitter tausende von Servern weltweit verteilt haben, aber diese bilden einen homogenen Cluster ab. Egal wo man sich in der Welt anmeldet und Tweets verschickt, sie sind global auf allen Servern und jedem angemeldeten User verfügbar (wenn man die jemals zu Gesicht bekommt, was ja durch Algorithmen gesteuert wird).

Im Fediverse sind die Mastodon-Server (die Instanzen heißen) komplett eigenständige Inseln, die alle einen regen Austausch an Nachrichten durchführen. Alle Benutzer*innen entscheiden sich für eine dieser Inseln und treten damit der Community auf dieser Mastodon-Instanz bei. Man spricht dann von der eigenen lokalen Instanz.

Alle Inseln zusammen betrachtet (und das gilt dann nicht nur für Mastodon) bilden das Fediverse, eine Föderation an Servern, die alle miteinander vernetzt sind.

Schreibe ich nun einen Toot, ist er sofort (ohne irgendwelche notwendigen Verknüpfungen) in der lokalen Instanz in der Lokalen Timeline sichtbar. Diese Lokale Timeline ist das Anschlagbrett für alle aus der Community der Instanz.

Aber der Mastodon Server macht noch mehr. Er steht mit vielen anderen Instanzen im Fediverse in Kontakt. Über diesen Kontakt versendet er die öffentlichen Toots an die Instanzen, deren Accounts sich folgen (d.h., die Vernetzung ist ein wichtiger Faktor der Reichweite von instanzübergreifenden Toots). Diese Toots werden in der Föderierten Timeline (der “Welt”). gelistet. Es ist damit das Anschlagsbrett aller sich vernetzten Mastodon-Instanzen zusammen (was tausende sein können). Wenn man in diese Timeline schaut, stellt man fest, wie die Nachrichten nur durchrauschen (man kann da übrigens auch filtern!).

Die Föderierte Timeline ist letztendlich aber ein Ausschnitt aller Toots. Man sieht keine Toots von Accounts, die keinerlei Verbindungen zu Accounts der eigenen Instanz haben. Dieses Prinzip erzeugt damit auch eine “Interessensbubble”. Mastodon hat dazu noch die (selten genutzte) Möglichkeit, Relays einzurichten. Damit kann ein Admin eine andere Instanz komplett zu abonieren.

Un-Sichtbarkeit

Man kann aber als User*in steuern, wie eine Mastodon-Instanz den Toot verteilt. Wenn ihr eine Nachricht schreibt, kann man mit dem Klick auf die Weltkugel festlegen, wer das sehen darf. Hier ein Beispiel für das offizielle Mastodon-Web-UI:

Sichtbarkeit von Toots

  1. Öffentlich - Der Toot wird, wie schon oben beschrieben, in der lokalen Instanz und in andere Instanzen gelistet, die sich über gegenseitige Follower sich mal vernetzt haben (das wäre mal ein extra Artikel wert, wie das funktioniert).
  2. Nicht gelistet - Wie “Öffentlich”. Mastodon hat aber eine “Entdecken” und “Suchen” Funktion, um Toots zu finden. Das ist damit abgeschaltet. Man verwendet das auch für Threads (2. bis n. Nachricht)
  3. Nur Follower - Das sehen dann wirklich nur die User*innen, die mir folgen. Das kann auch auf anderen Instanzen sein.
  4. Nur Leute, die ich erwähne - das sind Direct Messages (DM), Private Messages (PM) oder “Gruppennachrichten”, je nach Kontext (und wie viele ich erwähne). Diese Nachrichten kann man nicht boosten.

Schloss-Account (Gesperrtes Profil)

Man kann das eigene Profil übrigens mit einem “Schloss” versehen (so wie auch in Twitter), was aber nur auf den ersten Blick wie bei Twitter funktioniert. Die offensichtlichste Funktion des Schloss-Accounts ist, die besondere Freigabe der Follow-Anfragen. Habe ich mein Account mit einem Schloss versehen, ist ein “Follow” erst mal nur eine Anfrage und ich müsste diese dann akzeptieren oder ablehnen. Das verhindert nicht, dass man Accounts mit Schloss-Symbol anschreiben oder man deine Toots sehen könnte. Denn diese können weiterhin öffentlich sein. Man muss bei Mastodon explizit die Standard-Sichtbarkeit der eigenen Nachrichten so einstellen, dass diese nicht mehr öffentlich sind:

Sichtbarkeit der Nachrichten in Mastodon festlegen

Dann muss man es nicht für jeden Toot manuell machen. Entfernt man das Schloss wieder, werden aber vergangene Posts nicht automatisch sichtbar. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Twitter. Jede Sichtbarkeitseinstellung ist individuell für jeden Toot und ändert sich nicht mehr!

Weitere Hinweise zur Privatsphäre findet ihr in meinem anderen Blog-Artikel.

Nonverbale Kommunikation

Es gibt zwei Dinge an Interaktionen, die sich ähnlich wie auf Twitter anfühlen, aber nicht das Gleiche sind. Bei Mastodon spricht man von Favs und Boosts.

Favoriten

Es sind nicht wirklich Likes (Herzchen bei Twitter - und Twitter bietet teilweise ja noch mehr Emoticons als Interaktion an). Die ursprüngliche Intention war, dass man damit eine “Merkliste” von Favoriten der Toots anlegt, die man anderen über sein Profil kundgibt (was man abschalten kann) oder nur für sich privat macht.

Da aber Mastodon (wie Twitter) das an jedem Toot zählt und anzeigt, auch eine Benachrichtigung an den Autor schickt, wird es auch im Fediverse zunehmend als nonverbalen Ausdruck jeglicher kontextspezifischer Zustimmung verwendet. Da gibt es viel Diskussion drum und es hängt wirklich von der Sozialisierung ab. Twitter-User*innen vergeben häufig viel mehr Favs als Menschen, die schon lange auf Mastodon sind. Sie geben häufig lieber eine kurze Antwort, statt einem Stern.

Ich mag da keine Empfehlung geben (bin auch zu kurz hier), aber vielleicht probiert ihr einfach mal aus, mehr ein paar Worte zu schreiben, als nur Drive-by Klicks mit Favs zu machen.


Technisch gesehen, gibt es weitere Unterschiede von Favs zu Likes bei Twitter:

  1. Sie gehen in keine Sichtbarkeits-Algorithmen ein. Sie sind ausschließlich private Kommunikation. Egal wie viele Favs an einem Toot hängen, dieser Toot wird nirgendwo bevorzugt angezeigt.
  2. Die Favs werden von den meisten Clients nur in der Anzahl angezeigt, wenn man den Beitrag direkt auswählt.
  3. Man bekommt nur als Autor eine Benachrichtigung der Favs, die man selbst erhalten hat. Also nicht wie bei Twitter: Like auf eine Antwort, wo man erwähnt wurde.

Diese Punkte sind bewusst so gewählt, um die schlechte Aufmerksamkeits-Ökonomie von Twitter nicht in das Fediverse zu tragen.

Boosts

Boosts sind ähnlich wie Re-Tweets (RT) in Twitter. Es ist einer der wichtigsten Interaktionen im Fediverse, weil wir auf tausenden verschiedenen Instanzen leben, und der Austausch bewusst durch die “Boosts” gefördert werden muss.

Deswegen wird von einigen Nutzer*innen bei Mastodon empfohlen: Wenn man einen Toot eines Autors gut findet und der Meinung ist, dass die eigenen Folgenden sich dafür interessieren könnten und sollten, dann boostet man den Toot.

Mit einem Boost schafft es ein Toot in der Regel in die Aufmerksamkeit eines größeren Publikums und so können sich über viele Instanzen hinweg die Follower miteinander vernetzen, wenn sie auf dem Wege spontan übereinstimmende Interessen entdecken.

Es gibt aber auch zurückhaltende Meinungen, die sagen, dass es doch wieder ein Ersatz für die fehlende Aufmerksamkeits-Ökonomie wäre. Allerdings kann das jede*r für sich steuern, wenn man nicht alles boostet, was bei Drei auf den Bäumen ist. Nehmt den Namen “Boost” so, was er bedeutet, gebt einem Toot etwas Feuer und Aufmerksamkeit, wenn er es verdient hat.

DrüKos (Teilen mit Kommentar) gibt es nicht.

Was auf Twitter gang und gäbe ist und fast als Erstes von allen, die nach Mastodon wechselten, vermisst wird, sind die Drüber-Kommentare. Man kann nur “boosten”, ohne einen Kommentar zu hinterlegen.

Das ist so gewollt. Es geht darum, dass man in die Kommunikation des Autors tritt, statt über ihn zu reden. DrüKos zerschneiden dazu schon angefangene Kommunikationsstränge und werden bei Twitter häufig dazu genutzt, eine Aussage der eigenen Followerschaft zu präsentieren, quasi an den Pranger zu stellen.

Es gibt auch berechtigte Einwände: man möchte manchmal begründen, warum man einen Boost einer Nachricht macht. Das ist nachvollziehbar und wenn es wirklich eines solchen Kommentars bedarf, kann man immer noch die URL der Mastodon-Nachricht nehmen und diesen in die eigene Nachricht einbetten. Das wird dann aber nicht als Boost verknüpft. Es ist dann sicherlich hilfreich, den oder die Autor*in zu erwähnen.


Auch bei Boosts gibt es ein paar technische Eigenheiten:

  1. Wie schon gesagt, DrüKos gibt es nicht
  2. Boosts sehen nur die Follower (Instanzübergreifend). Ihr werdet nie Boosts in der Lokalen Timeline oder gar in der Föderierten Timeline sehen.
  3. Die Boosts werden von den meisten Clients nur in der Anzahl angezeigt, wenn man den Beitrag direkt auswählt.
  4. Man bekommt nur als Autor eine Benachrichtigung der Boosts, die man selbst erhalten hat.

Auch das sind feine Unterschiede zu Twitter, die eine bessere Kommunikation fördern (nebenbei entlastet es auch den Austausch der Nachrichten zwischen den Instanzen)

Hashtags

Die Kategorisierung ist eine extrem wichtige Form der Kommunikation im Fediverse. Nachrichten (übrigens auch Profile) kann man mit Tags klassifizieren. Wie bei Twitter wird ein Tag mit einem ‘#’ voran geführt (im Englischen das Hash-Zeichen) und man sagt damit der Mastodon Instanz, dass der Toot mit diesem Begriff (oder auch mehreren) gesondert “indiziert” werden soll. D.h. man hat damit den Toot in einem Schlagwortverzeichnis eingeordnet.

Diese Schlagworte sind in dem gesamten Fediverse durchsuchbar (was für den restlichen Text in einem Toot in der Regel nicht gilt - die sind manchmal nur auf der eigenen Instanz zu finden).

Nahezu alle Clients erlauben Timelines der Hashtags zu erstellen. Das offizielle Mastodon-Web-UI hat dafür eine Einstellung für ein Erweitertes UI, das man aktivieren muss. Damit hat man für ein spezifisches Interessengebiet (verschlagwortet mit einem Hashtag) eine eigene Timeline.

Hashtags sind damit noch wichtiger als bei Twitter. Es gibt ja keine Algorithmen, die steuern, wer was in seiner Bubble sieht. Sender*innen und Empfänger*innen steuern für sich, was sie sehen wollen und haben ggf. überlappende Interessensgebiete. Im Fediverse sind Hashtags genau das Instrument, diese Überlappungen bei den Interessen zu finden. Deswegen: Vergesst nicht die Hashtags, wenn ihr an ein größeres Publikum denkt, als nur die Follower. Denn die euch folgen, haben euch ja auch nur meistens nur durch die Hashtags gefunden.

Listen

Listen in Mastodon funktionieren im Detail komplett anders, als Listen bei Twitter. Man machte mich in den Kommentaren zu diesem Blog-Artikel aufmerksam, dass Listen nicht unwichtig sind. Deswegen nun dieser neue Abschnitt.

Grundsätzlich dienen Listen dazu, sich mehrere Accounts in eine Gruppe zusammenzufassen, um deren Toots in einer gemeinsamen Timeline zu lesen. Im Gegensatz zu Twitter muss man den Accounts aber folgen! Es gibt also nicht die Möglichkeit als stille*r Beobachter*in die Nachrichten eines Account zu konsumieren.

Das hat in aller Konsequenz eine weitere Auswirklung: Nachrichten der User*innen in den Listen erscheinen auch in der Home Timeline (Startseite), man folgt ihnen ja (technisch gesehen, benötigt Mastodon die Toots in der Home Timeline und kopiert sie von dort in die Liste. Die Home Timeline ist also sowas wie eine Inbox eines Mail-Clients und die Liste repräsentiert eine “Regel”, die Nachrichten aus der Home Timeline dort hinzukopieren).

Wenn man von Twitter kommt, ist man erstmal ratlos, ob man die Mastodon-Listen überhaupt verwenden kann und ich selber hadere auch damit. Man kann also Listen erstmal nicht so verwenden, dass man die Home Timeline für alle mögliche Themen verwendet und die Listen-Gruppenthemen aus der Startseite hinausfiltert.

Ja, aber es gibt ein Workaround den ich hier nicht vorenthalten möchte. Legt einfach eine generelle Liste “Alle” an (denkt euch irgend einen sinnvollen Namen aus) und dann weitere Listen, in die ihr die Accounts haben möchtet, die ihr thematisch (oder aus persönlichen Gründen) gerne zusammen lesen wollt. Das kann eine Liste für Nachrichten-Bots sein. Mutuals aus Google+ Zeiten, die Familien-Liste. Was euch in den Sinn kommt.

Nun sortiert ihre alle Accounts in die Listen ein. Wer nicht in die speziellen Listen passt, kommt in die “Alle” Liste. Das Schöne ist, dass ihr dann frei entscheiden könnt, ob ein Account auch auf mehreren Listen stehen kann. So mischt ihr euch eure Lesewünsche zusammen.

Das Mastodon-Web UI und auch einige Clients können diese Listen nun als Timelines darstellen. Außerdem kann das Mastodon-UI, wie viele Clients alle Timelines umsortieren. Auch die Home Timeline. Wenn euch also das Gewusel der Startseite zu viel ist, sortiert diese ans Ende und die selbst erstellte Alle Timeline an den Anfang (Clients wie Fedilab für Android, können Timelines auch ausblenden).

Hier ein Beispiel für das Mastodon-Web-UI:

Mastodon Move Timeline

Von den restlichen Listen macht ihr auch Timelines und sortiert sie dahin, wo sie euch passen.

Nun kann man die Listen ähnlich wie auf Twitter nutzen (und sogar flexibler). Man muss den Accounts trotzdem folgen, aber das ist nur ein kleines Problem.


Die technischen Eigenheiten zu Listen:

  1. In Listen kommen Accounts, denen man folgen muss. Damit erscheinen die Toots dieser Accounts in der Home Timeline und in der Liste
  2. Listen kann man als eigene Timelines in vielen Mastodon Clients einstellen. Sie sind damit viel promienter als bei Twitter, wo man erst durch zig Untermenüs wandern muss.
  3. Erst ab dem Zeitpunkt, wo man einen Account einer Liste hinzufügt, füllt sich die Liste mit den Nachrichten des Accounts. Auf Twitter ist das anders, dort erscheinen auch Tweets aus der Vergangenheit in einer Liste.

Es gibt noch ein paar andere nette Dinge, wie zum Beispiel die Besonderheit, dass es viele andere Services im Fediverse gibt (Makroblogging ohne Zeichenbegrenzung und viele Dienste, die Facebook, YouTube oder Instagram ersetzen). Für den kleinen Mastodon spezifischen Artikel soll es aber reichen.